Die Abhängigkeit zwischen Gemeinden und Lokalmedien – und wie politische Akteure diese nutzen können
Lokalmedien fehlen die Ressourcen, um über Politisches zu informieren. Gemeinden hingegen bauen ihre Kommunikation aus. Doch sie sind nicht die einzigen, die diese Lücke füllen können: Auch Parteien, Verbände und Komitees müssen ihre Kommunikation auf lokaler Ebene anpassen.
Die sinkende Medienvielfalt in der Schweiz erschwert den kritischen öffentlichen Diskurs über politische Themen zunehmend. Besonders prekär sieht es auf der kommunalen Ebene aus: Über viele Gemeinden wird kaum mehr medial berichtet, wie auch das aktuelle Jahrbuch Qualität der Medien des fög zeigt: Fast 57 Prozent der Erwähnungen in nationalen und überregionalen Medien entfällt auf 33 Kernstädte. Die zahlreichen ländlichen Gemeinden werden nur in 11 Prozent der Artikel erwähnt. Hier braucht es starke Lokalmedien – doch auch diese haben mit den abwandernden Leserinnen und Werbekunden zu kämpfen. Die digitale Transformation setzt sie unter Druck.
Tipps für die digitale Transformation
Die FH Graubünden befasst sich daher seit rund vier Jahren mit dem Thema Lokaljournalismus und Gemeindekommunikation in der digitalen Transformation. Nun hat das Forschungsteam anwendungsorientierte Empfehlungen veröffentlicht, wie einerseits Gemeinden und andererseits Lokalmedien mit den sich verändernden Rahmenbedingungen umgehen können.
- Lokalmedien sollen demnach als Marke erlebbar sein; nämlich indem die Journalistinnen und Journalisten vor Ort leben und recherchieren, Veranstaltungen durchführen und Beziehungen pflegen. Um die Qualität zu erhöhen, können sie auch KI sorgfältig nutzen oder mit Hochschulen zusammenarbeiten.
- Gemeinden ihrerseits sollen ein Kommunikationskonzept erstellen (aktuell haben dies nur 40 Prozent der befragten Gemeinden), die Webseite als zentralen Informationshub nutzen und ihre Kommunikation von journalistischen Inhalten trennen.
Gemeinden brauchen Lokaljournalismus
Die Kernaussage ist aber klar: Die Forschenden betonen die gegenseitige Abhängigkeit von Gemeinden und ihren Lokalmedien. Auf der einen Seite sind lokale Zeitungen auf die Informationen angewiesen, die sie von Gemeinden erhalten, und benötigen die Subventionen oder Aufträge der Gemeinden für das wirtschaftliche Überleben. Auf der anderen Seite erhalten die Gemeinden eine öffentliche Plattform für den Diskurs über lokalpolitische Themen. Dies ist für das Funktionieren unserer Demokratie zentral.
Platz für weitere politische Akteure
Doch diese Beziehung zwischen Gemeinden und Lokalmedien verändert sich. Zunehmend müssen Gemeinden aufgrund des Spardrucks ihre Subventionen an Lokalmedien kürzen oder streichen. Die Gemeinden scheinen nun allerdings begonnen zu haben, die bei den Lokalmedien schwindenden Ressourcen ihrerseits zu kompensieren. Über 65 Prozent der befragten Gemeinden gaben an, dass ihre Kosten in der für die Kommunikation in den letzten fünf Jahren gestiegen sind. Doch es ist nicht die Aufgabe der Gemeinden, die Funktionen der Lokalmedien umfassend zu übernehmen. Vielmehr bieten sich attraktive Gelegenheit für weitere Akteure, um die entstehenden Lücken zu füllen.
Information ist Überzeugungsarbeit
Es ist eine Chance für Parteien, Verbände und Komitees, mit geschickter Kommunikation auf kommunaler und lokaler Ebene Aufmerksamkeit zu erreichen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Dafür müssen sie einige Punkte beachten:
- Mit Information statt Persuasion zum Ziel kommen: Wenn Medien weniger Ressourcen haben, um über komplexe Themen (auch auf kommunaler Ebene) zu informieren, kann diese Lücke nicht nur von den Gemeinden gefüllt werden, sondern auch Parteien oder Verbände können diese Aufklärungsarbeit übernehmen. Denn das nützt ihnen auch: Eine transparente, kohärente und tiefgründige Information schafft gleichzeitig Verständnis für die eigene Perspektive. Politische Akteure tun daher gut daran, zunehmend nicht nur Überzeugungsarbeit leisten, sondern auch Informationsangebote zur Verfügung stellen.
- Lokalmedien stärken dank Vorabinformation und so sichtbar werden: Lokalmedien sind auf Inputs angewiesen, denn leider bleibt nicht immer Zeit für ausgiebige Recherchen. Hier können Parteien erfolgreiche ihre Botschaften platzieren, indem sie den Lokalmedien Arbeit abnehmen. Beispielsweise können Verbände und Parteien Kleinstmedien Primeure liefern oder ihnen exklusive Hintergrundgespräche anbieten. Auch hier hilft ein starkes persönliches Netzwerk zu Journalistinnen und Journalisten. So besteht eine grundsätzliche Vertrauensbasis.
- Stärkere Kooperation mit Gemeinden: Eine kooperative und enge Zusammenarbeit mit den Gemeinden ist wichtiger denn je – denn die Kommunikationsdienstleistungen der Gemeinden sind weiter gestiegen. Zunehmend bieten Gemeinden umfassende Kommunikationsservices und Informationsmöglichkeiten für die Bevölkerung an, führen z. B. Infoveranstaltungen durch oder veröffentlichen Broschüren und Flyer. Doch die Ressourcen dafür sind knapp. Das können Parteien und Verbände ausnutzen und mit den Gemeinden kooperieren. Beispielsweise können sie gemeinsame Infoveranstaltungen durchführen, eigene informative Publikationen veröffentlichen oder die Gemeinden mit Hintergrundinformationen unterstützen. Voraussetzung dafür sind eine Vertrauensbasis und eine kollegiale Beziehung.
- Interaktion vor Ort nicht vergessen: Wenn öffentlich zugängliche Gefässe für den Diskurs fehlen, werden persönliche Interaktionen vor Ort wieder wichtiger. Solche Interaktionsmöglichkeiten können auch Parteien und Verbände zur Verfügung stellen. Indem sie niederschwellige Angebote schaffen und die Menschen dort abholen, wo sie sind, können sie die Politik nahe an den Alltag der Personen bringen. Das kann mittels Standaktionen an Dorffesten passieren, oder durch persönliche Gespräche mit bekannten Persönlichkeiten einer Gemeinde.
Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier.
Das Jahrbuch Qualität der Medien finden Sie hier.